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Wenn ich mit anderen Motorradfahrern spreche und erzähle, dass ich bei jedem Herunterschalten in der Bremsphase manuell Zwischengas gebe, finden das die meisten erstaunlich. Ich selbst denke darüber gar nicht mehr nach, denn es ist zum absoluten Automatismus geworden. Doch welche Vorteile und Nachteile hat diese Fahrtechnik und wie kann man sie erlernen? All das versuche ich euch in diesem Beitrag näher zu bringen.

Die Vorteile

Weniger Bremsmoment, wenn die Kupplung wieder greift

Den Begriff „Motorbremse“ haben die Meisten wohl schon gehört. Und die Meisten kennen wohl auch das Gefühl, welches entsteht, wenn ihr in einen niedriegeren Gang einkuppelt: durch eine höhere Motordrehzahl ergibt sich auch eine erhöhte Motorbremse. Die Trägheit des Motors, der auf die höhere Drehzahl beschleunigt werden muss, kommt hier hinzu und bremst das Hinterrad kurzzeitig weiter ab. Wir haben also eine Drehzahldifferenz, die ausgeglichen werden muss.

Was passiert nun, wenn wir Zwischengas geben, während die Kupplung gezogen ist? Durch den Gasstoß fällt die Drehzahl des Motors gar nicht erst, sondern nähert sich der passenden Drehzahl für den niedriegeren Gang an. Im Optimalfall trifft man sogar die richtige Drehzahl perfekt, wenn man wieder einkuppelt. So wird das oben erwähnte extra Bremsmoment eliminiert und das Motorrad bleibt in der Bremsphase stabiler.

Weniger Verschleiß der Kupplung

Hier direkt vorweg: man muss die Technik gut beherrschen, damit dieser Punkt zutrifft. Bei einem normalen Schaltvorgang ohne Zwischengas übernimmt die Kupplung die Arbeit des Drehzahlausgleichs. Hier entsteht beim einkuppeln Reibung. Je größer die Drehzahldifferenz, desto mehr muss die Kupplung arbeiten. Weniger Drehzahldifferenz durch Zwischengas – weniger Kupplungsverschleiß. Eigentlich ganz logisch, oder?

Man kann ohne Kupplung herunter schalten

Trifft man die richtige Drehzahl und verwendet die richtige Technik erleichtert Zwischengas das herein rutschen des Gangs. Dies geht sogar so weit, dass man ganz ohne Kupplung herunterschalten kann. Populäres Beispiel für diese Technik ist Moto2-Fahrer Mattia Pasini, er hat durch einen Unfall nicht mehr genug Kraft und Gefühl in seiner rechten Handund bremst daher mit der linken. Für den Amateur bekommt das aber keine Empfehlung von mir, denn das kann auch ganz schön auf’s Getriebe gehen und eine Getrieberevision oder ein Tausch wird verdammt teuer.

Es hört sich geil an!

Das mag primitiv klingen, aber hier muss ich wohl nicht viel zu erklären… Zur Verdeutlichung hier noch ein kleines Video aus Most 2018, in dem man am Ende das Zwischengas gut hören kann.

https://www.instagram.com/p/B79LryPIVkG/

Die Nachteile

Es ist verdammt schwer zu lernen

Das ist zumindest das, was ich so von anderen Motorradfahrern höre. Auch ich hab lange Zeit gebraucht, bis ich mein Handgelenk richtig trainiert hatte, selbst ohne dabei zu bremsen. Bremsen und Zwischengas geben gleichzeitig spielt dann nochmal zwei Level höher. Auch die Kupplung passend kommen zu lassen ist nicht ohne. Weiter unten im Beitrag erkläre ich euch, wie ich es damals gelernt habe.

Konstanter Bremsdruck ist schwer zu halten

Um Zwischgas zu geben muss man die Hand bewegen – das ist Fakt. Doch die Hand zu bewegen, während die Finger an der Bremse sind ist so eine Sache. Denn man zieht automatisch die Finger etwas mit. Es braucht also sehr viel Übung und Routine, um den Bremsdruck möglichst wenig zu beeinflussen. Viele ziehen beim Zwischengas geben automatisch etwas mehr an der Bremse, weil die Finger automatisch mitgezogen werden.

Wie lerne ich richtig Zwischengas zu geben?

Zuerst muss man sich auf eine lange Lernphase einstellen, um nicht die Motivation zu verlieren. Am besten kann man auf der Landstraße anfangen zu üben, denn hier hat man nicht den Stress, den man auf der Rennstrecke hat.

Step 1: Zwischengas ohne Bremsen

Ein guter Anfang ist, sich ein Gefühl für die Dosierung des Gasstoßes anzueignen. Dafür nimmt man sich bestenfalls eine ruhige gerade Strecke, schaltet herunter und probiert, in der Phase, in der die Kupplung gezogen ist, einen Gasstoß zu geben. Also quasi gleichzeitig mit dem Betätigen des Schalthebels. Trifft man die richtige Drehzahl, sollte beim Einkuppeln kein spürbarer Ruck mehr durch das Motorrad gehen. Probiert dabei verschiedene Gänge und Drehzahlen aus, um alle Variablen kennenzulernen. Nehmt euch für diesen Schritt Zeit und versucht nicht zu schnell zum nächsten überzugehen.

Step 2: Zwischengas beim Bremsen

Die Königsdisziplin. Alles was ihr in Schritt 1 gelernt habt bekommt jetzt noch eine weitere Variable, die an sich auch schon schwer genug ist: das richtige Bremsen. Diese Technik wird nichts für Vier-Finger-Bremser sein, sondern am besten mit zwei oder einem Finger an der Bremse funktionieren.

Tastet euch hier bitte sehr vorsichtig heran, denn ein Fehler beim Bremsen kann ziemlich schnell in einem Crash enden!

Die ersten paar Versuche werden euch hier wahrscheinlich wieder komplett verunsichern, denn ihr werdet automatisch die Bremsfinger mitziehen und stärker bremsen. Ihr müsst jetzt lernen, eure Bremsfinger entsprechend etwas lockerer zu lassen, wenn ihr den Handrücken nach hinten zieht. Einen Masterplan dafür habe ich nicht, außer Zeit und viel viel Übung.

Anbremsen Ende Start/Ziel-Gerade am Schleizer Dreieck

Fazit

Dass die Vorteile von Zwischengas nicht zu vernachlässigen sind, zeigen die aktuellen Veränderungen am Motorradmarkt. Immer mehr Modelle werden von Werk aus mit sogenannten „Blippern“ ausgerüstet. Diese nutzen einen perfekt ausgerechneten Gasstoß, um ohne Kupplung herunter zu schalten.

Ob für euch die Vorteile die Nachteile und die steile Lernkurve überwiegen, muss jeder selbst wissen. Für mich persönlich ist es ein Automatismus geworden und ich kann quasi gar nicht mehr ohne Zwischngas schalten. Falls ihr Fragen habt oder Wünsche, welche Fahrtechniken wir hier noch behandeln sollen, dann schreibt einfach einen Kommentar.

Bis dahin!
Julian

Author Julian Schmidt

26 Jahre alt und verrückt auf alles was zwei Räder hat. Immer auf der Suche nach dem Limit. Seit 2015 auf der Rennstrecke unterwegs. Yamaha R6 RJ15. If in doubt, go flat out!

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