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Mehr und mehr Hersteller bieten Airbagsysteme und Kombis an. Nach meinem Sturz mit Oberarmbruch und ausgekugelter Schulter habe ich mich dann auch genötigt gefühlt mich mit dem Thema gerade hinsichtlich Rennstreckeneinsatz auseinanderzusetzen. Interessanterweise garnicht mal so einfach, denn es scheint bei der Allgemeinheit noch nicht so recht angekommen und Informationen sind doch relativ rar gesäht. Auch habe ich keine aktuellen Tests in der Fachpresse entdecken können. Grund genug, meine Ergebnisse der Recherche und bisherige Erfahrungen mit den gemachten Systemen einmal zu teilen:

  1. Die Günstige für obendrüber: Die Airbagweste von Helite.
    Dies dürfte mit das bekannteste und weit verbreitetste System unter den gemeinen Motorradfahrern sein. Helite stellt eine Weste her, in der ein Airbag integriert ist und die ganz ohne Digitaltechnik per Seil auslöst. Die Weste ist mit ca. 450 Euro im Vergleich günstig, idiotensicher zu bedienen und direkt nach einer Auslösung durch den Benutzer nachzuladen. Man stülpt die Weste einfach über den Kombi, klickt sich mit dem Gegenstück des Auslöseseils am Motorrad an und wenn man tatsächlich den Sittich macht, löst der Airbag ganz simpel über den Zug am Seil aus. Hat der Airbag einmal ausgelöst, müssen nur die beiden CO2 Patronen getauscht werden und die Weste ist wieder einsatzbereit. Vorausgesetzt sie wurde beim Sturz nicht zerstört natürlich.
    Trotz des guten Produkts gibt es aber mehrere Mankos. Zum Einen nervt es sich jedes Mal am Motorrad an- und abklipsen zu müssen, zum anderen scheuert die Weste gern am Hals und ist gerade an heißen Tagen unangenehm. Zwei Dinge über die viele Fahrer für das Mehr an Schutz gern hinwegsehen. Für mich persönlich kam sie jedoch nicht in Frage, da sie zwar bei Rücken, Brust und z.T. bestimmt auch Schlüsselbein schützen kann, einen direkten Treffer auf die Schulter, so wie es mir passiert ist und auch generell gerne in unserem Sport oft vorkommt, kann sie aber aufgrund der dort fehlenden Ummantelung nicht abpolstern. Dazu kommen Kleinigkeiten wie das Verdecken von Sponsoraufnähern auf der Kombi durch die Weste. Das kann auch für den Hobbyracer zum Problem werden, wenn z.B. Rennserien das zur Schaustellen der Sponsorpartner (zu Recht) verlangen. Ein weiterer Nachteil ist sicherlich die Auslösezeit des Seilzugmechanismus. Trifft man auf ein Hindernis ohne vorher vom Motorrad geflogen zu sein, kann man dort einschlagen ohne dass der Airbag schon aufgeblasen ist. Auf der Rennstrecke ist dieser Negativpunkt zugegebenermaßen zu vernachlässigen, da man in den seltensten Fällen direkt auf ein Hindernis auffährt.
  2. Die Weste in der Maßkombi: Das System von Gimoto
    Gimoto, ein sich immer mehr verbreitender italienischer Hersteller, bietet seit dieser Saison ein ähnliches System wie die Helite Weste an. Nur muss man hier nicht noch etwas zusätzlich anlegen, sondern die Weste ist in der Kombi integriert. Der Auslösemechanismus ist genauso per Seil zum einhängen am Motorrad gesteuert, nur sitzt er etwas komfortabler nach hinten aus der Kombi heraus. Beim Fahren baumelt und nervt also kein Seil zwischen Knie, Tank, Oberkörper oder Ähnlichem. Auch hier kann mittels austauschbaren CO2 Patronen direkt nachgeladen werden, ohne dass etwas eingeschickt werden muss. Ein gutes System was viele Nachteile der Weste eliminiert. Dazu trägt sich das Leder bequem wie ein Jogginganzug. Leider fehlt auch hier die Vollabdeckung der Schulter, sonst wäre es wohl auch bei mir eine Gimoto Kombi geworden. Wer sich dafür interessiert, sollte sich aber vermessen lassen, damit die Maßkombi auch tatsächlich passt. Dieser Service wird z.B. von der Firma Renngrib in Trier angeboten. Dort kann man sich dann auch direkt Farbwünsche etc. auf Machbarkeit prüfen lassen. Kostenpunkt für eine solche Kombi sind ca. 2000 Euro.
  3. Die Digitalrüstungen: Dainese D-Air und Alpinestars Tech-Air
    Vorab eine kleine Randnotiz zu den Beiden: Beim Marketing scheint zumindest in Deutschland Dainese die Nase vorn zu haben. So habe ich schon viele mit der D-Air, aber niemanden mit der Tech-Air Kombi an der Rennstrecke gesehen. Das ist in der Tat verwunderlich, da die Kosten für die Systeme mit rund 2000-2500 Euro in etwa gleich hoch sind. Im Vergleich bietet jedoch Alpinestars das bessere Paket. Aber kommen wir erst einmal zur Technik, die beide Systeme gemein haben:
    Beide arbeiten mit verschiedenen Sensoren, um einen Unfall zu erkennen. Heißt im Detail, dass die Kombis jeweils über Beschleunigungs- und GPS Sensoren verfügen und einen kleinen Rechner inkl. Akku eingebaut haben. Dieser gleicht die Meldungen der Sensoren ab und löst bei Sturzerkennung den Airbag aus. Die dahinterliegenden Algorithmen sind über mehrere Jahre in der Weltmeisterschaft entwickelt worden und werden – laut Hersteller – auch so wie es sie zu kaufen gibt dort weiterhin eingesetzt. Nettes Gimmick obendrauf: Die Sensoren speichern Ihre Daten während der Fahrt auf einem internen Speicher in der Kombi ab. Diese können danach am Rechner eingesehen werden und offenbaren Brems- und Beschleunigungsphasen sowie Rundenzeiten und sogar gefahrene Schräglagen (gemessen an der Kombi wohlgemerkt). Auch wenn ich zugeben muss, dass es anfangs etwas befremdlich wirkt einen USB Stecker in die eigene Kombi zu stecken.
    Die Technik an sich ist also im Wesentlichen gleich, jedoch gibt es Unterschiede in den Details und der Art und Weise wie sie in die Kombi integriert sind. Bei Dainese ist das System fest in der Kombi verbaut und wird ausdrücklich nur auf der Rennstrecke zum Betrieb freigegeben. Möchte man also das System auch auf der Straße fahren, müsste man eine weitere Kombi von Dainese dafür kaufen. Bei Alpinestars kann man den Airbag per Reißverschluss aus der Kombi entnehmen und in eine andere Kombi (z.B. Zweiteiler für die Strasse) verbauen. Der Airbag lässt sich am PC auf Renn- oder Strassenbetrieb umstellen.
    Beide Systeme müssen nach Auslösung beim Hersteller zurückgesetzt werden, wobei der Alpinestars Airbag zwei mal auslösen kann, bevor er eingeschickt werden muss. Bei Dainese ist das Einschicken nach einer Auslösung fällig. Genaue Preise konnte ich nicht erfahren. In Internetforen und Hörensagen ist von ca. 500 Euro die Rede, mit denen man beim Einschicken rechnen muss.
    Ziemlich teuer und zumindest am Anfang auch noch recht kompliziert das Ganze. Zur Verteidigung muss man hinzufügen, dass zumindest bei kleinen Stürzen (alles unter 50kmh) die Systeme nicht auslösen. Trotzdem sind dies die einzigen Systeme mit vollem Oberkörperschutz und vor Allem Schulterabdeckung bis etwa zur Hälfte des Oberarms. Das macht sie also in dieser Hinsicht alternativlos.

Das für mich wichtigste Kriterium war der Schulterschutz, daher fiel für mich die Entscheidung zwischen den Alpinestars und Dainese. Hatte ich eigentlich Alpinestars favorisiert, kam Dainese genau zum passenden Zeitpunkt mit einer 25% Rabattaktion um die Ecke. Da habe ich dann zugeschlagen.

Ich habe nun etwa 5 Rennstreckentage mit der D-Air gefahren und sie gefällt mir sehr gut. Das System wird einfach durch das Schließen des oberen Druckknopfs aktiviert und zeichnet dann alle Runden auf. Kein Seil, kein extra anziehen, kein irgendwas. Nur ab und zu mal per USB aufladen. Wobei eine Ladung locker mehrere Rennwochenenden hält. Ich habe sie aber sowieso immer zu Hause an den PC gehängt um mir das Datarecording anzuschauen. Ist doch schließlich immer wieder schön zu sehen, was man für eine Graupe auf der Strecke ist 😉

In diesem Sinne, Gas ist rechts
Euer Philipp #14

PS: Wenn Ihr auch Erfahrungen mit Airbags habt, würde ich mich freuen wenn Ihr sie mit mir teilt. Also lasst gern einen Kommentar da 🙂

Author Philipp Wiehe

Motorradfahrer, Schrauber und Hobbyracer aus Leidenschaft. Ein Leben ohne zwei Räder ist kein Leben.

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