Skip to main content

Gefühlt wird im Rennsport nirgendwo soviel Tohuwabu gemacht wie beim Thema Fahrwerk. Es sei ja alles total kompliziert und man soll es doch immer zum Profi schicken. Doch ist es wirklich so ein Geheimnis was z.B. in einer Gabel abgeht? Und muss es wirklich immer zum Fahrwerksmann geschickt werden, nur weil ein Simmerring undicht ist, man eine neue Gabelfeder einbauen möchte oder auch nur ein einfacher Ölwechsel ansteht? Aus Erfahrung kann ich sagen, mit etwas Schrauberbegabung kann man diese Arbeiten auch selbst erledigen. Umbauten an der Gabel, also alles was das sogenannte Cartridge betrifft, sollte man jedoch weiterhin dem Fachmann überlassen und Federbeine ohnehin. Hier lohnt die Anschaffung von Spezialwerkzeug z.B. zum Befüllen mit Gas einfach nicht.

Zugegeben, man muss auch Werkzeug anschaffen, wenn man einen Gabelservice an einer Standard Upside-Down-Gabel durchführen möchte. Das hält sich aber in einem überschaubaren Rahmen, gerade wenn man auf lange Sicht denkt. Zu normalen Gabelschlüssel und Co. sollte man folgendes parat haben:
1) Eine Spannvorrichtung, mit der man die Feder mit der Abstandshülse nach dem Aufschrauben herunterdrücken kann. Dafür gibt es keinen speziellen Namen. In einschlägigen Internetauktionshäusern wird es unter z.B. unter „Gabel Federspanner“ geführt.
2) Ein Blech zum Arretieren der heruntergedrückten Gabel.
3) Einen Simmerring Eintreiber.
4) Etwas Gabelfett.
5) Weiche (Gummi / Kunststoff) Backen für den Schraubstock.

Dazu benötigt Ihr natürlich Simmerringe, Staubkappen und Gabelöl passend für Euer Motorrad. Als zusätzliche Information benötigt Ihr noch das empfohlene Luftpolster sowie Viskosität des Gabelöls. Diese Informationen zu bekommen ist nicht immer ganz leicht. Gute Erfahrungen habe ich mit der US-amerikanischen Seite racetech.com gemacht.

Der nun folgende Erfahrungsbericht bezieht sich auf eine Kayaba Gabel, wie sie z.B. bei Triumph, Suzuki & Co. gerne verbaut wird. Eine Gewähr, dass meine Arbeitsweise bei Euch auch genauso gut funktioniert, kann natürlich nicht gegeben werden.
Vor den Arbeiten sollte man die Zugstufe bis auf den letzten Klick reindrehen. Der Hintergrund dieser Empfehlung ist weiter unten beschrieben. Die Druckstufe kann man in einer mittleren Einstellung belassen. Um keine Teile zu vertauschen sollte man die Gabelrohre nacheinander und bearbeiten. Wenn die Gabel noch eingebaut ist, sollte man die obere Gabelbrücke lösen und dann schon einmal die Kappe der Gabel lösen. So spart man sich später einen Arbeitsschritt. Um keine Kratzer auf der Gabelkappe zu hinterlassen, kann man die Fläche auf die der Schlüssel bzw. die Nuss greift mit etwas Isolierband umwickeln. Hat man die Gabel dann ausgebaut, kann man sie ganz Öffnen und das Rohr herunterdrücken. Zum Vorschein kommt die Abstandshülse (meist Plastik) mit zwei Löchern. In diese Löcher greift die Spannvorrichtung, in der man die Gabel nun einspannt und die Hülse gegen den Druck der Gabelfeder herunterdrückt. Es macht Sinn die Spannvorrichtung im Schraubstock festzuklemmen. Nun kann man die Zugstange hochziehen und das Halteblech unter der Mutter der Zugstange positionieren, so dass man hier mit dem Schlüssel ansetzen kann. Die Mutter ist gegen die Gabelkappe mit der Zugstufenverstellung gekontert. Wie weit die Kappe auf das Gewinde der Zugstange aufgedreht ist, legt die möglichen Klicks der Zugstufenverstellung fest. Daher auch der Hinweis weiter oben, diese zuzudrehen. So hat man nach dem Zusammenbau wieder die gleiche Anzahl Klicks der Zugstufe wie vor dem Auseinanderbau zur Verfügung.
Die Kontermutter wird nun also gelöst (man kann an der Gabelkappe mit einem Rollgabelschlüssel gegenhalten) und die Gabelkappe anschließend abgenommen. Dann kann das Halteblech entfernt und die Abstandshülse entnommen werden. Nun die Gabel über eine Wanne halten und umdrehen, so dass das Öl herauslaufen kann. Dabei wird auch die Feder und ggf. das Röhrchen für die Zugstufenverstellung herausfallen. Die Gabel und auch die Zugstange sollte mehrmals durchgepumpt werden, so dass möglichst viel Öl herausläuft. Dabei die Gabel auch zwischendurch mal wieder aufrecht halten, pumpen und wieder zum Ablaufen über die Wanne halten. Lässt sich die Zugstange irgendwann sehr leicht bewegen, ist das meiste Öl aus der Gabel raus. Wer auf Nummer sicher gehen will, lässt sie über Nacht umgedreht stehen.
Ist alles Öl aus der Gabel entfernt, kann man Tauch- und Standrohr durch einfaches ziehen voneinander trennen. Nun mit einem Schraubenzieher vorsichtig die Staubkappe der Gabel, anschließend die Sicherungsklammer und schließlich mit etwas mehr gefühlvoller Gewalt den Simmering aushebeln. Alle Teile weitestgehend reinigen. Ich persönlich spüle das Standrohr mit Bremsenreiniger durch, das Tauchrohr (das wo der Gabelfuß dranhängt) jedoch nicht, da hier die Gefahr besteht nicht den ganzen Reiniger wieder herauszubekommen und so das frische Öl mit Bremsenreiniger zu beschmutzen. Ist alles gereinigt kann auch schon mit dem Zusammenbau begonnen werden.
Dazu steckt man auf das Tauchrohr nacheinander die neue Staubkappe, den (ggf. neuen) Sicherungsring und den neuen, von innen mit Gabelfett bestrichenen Simmerring auf. Darauf achten, dass alle Teile später richtig herum sitzen werden. Nun wird das Tauchrohr in das Standrohr gesteckt und der Simmerring mit dem Eintreiber eingetrieben. Anschließend den Sicherungsring richtig in die Nut platzieren und die Staubkappe festdrücken. Die Gabel wird nun im Schraubstock richtig herum und gerade eingespannt. Das Röhrchen für die Zugstufenverstellung wird eingesetzt, jedoch nicht die Feder. Bei sehr tiefsinkenden Zugstangen kann es Sinn machen etwas Draht unter die Mutter zu wickeln und diesen oben aus der Gabel herausschauen zu lassen, damit die Zugstange später wieder hochgezogen werden kann. Jetzt wird die Gabel langsam mit Gabelöl bis etwas über die Luftpolster Angabe befüllt. Anschließend die Zugstange immer wieder durchpumpen, bis auf der gesamten Strecke Widerstand zu spüren ist. Es dürfen keine Gluckergeräusche mehr zu hören sein und keine Bläschen mehr an die Oberfläche kommen. Den absinkenden Ölstand wieder auffüllen. Die Gabel anschließend etwa 15 Minuten so stehen lassen und nochmals die Zugstange einige Male durchpumpen. Nun den Ölstand auf die exakte Angabe des Luftpolsters bringen. Hier helfen spezielle Niveaueinsteller. Eine Saugflasche mit einem O-Ring als Markierung ist jedoch genauso gut. Auch mit Lineal und Lampe kann man gut sehen, wie hoch der Ölstand ist.
Ist der exakte Ölstand eingestellt, kann die Zugstange wieder herausgezogen und das Halteblech untergelegt werden. Bei der Gabelkappe drehen wir die Zugstufenverstellung einen halben Klick weiter herein. Dann wird diese aufgeschraubt, bis etwas Widerstand zu spüren ist. Zur Kontrolle kann sanft versucht werden die Zugstufenverstellung weiter hereinzudrehen. Wenn dies nicht ohne Kraft möglich ist, sitzt die Gabelkappe genau an der richtigen Stelle. Die Mutter wird mit der Hand gegen die Gabelkappe gedreht, so dass sie leicht zieht und anschließend der Zugstufenversteller wieder auf den ganzen Klick zurückgedreht. Nun wird die Mutter fest gedreht. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Gabelkappe nicht weiter herein oder herausschraubt. Zur Kontrolle kann nochmals die Zugstufenverstellung geprüft werden. Wenn sie sich über den letzten Klick einen Tick weiter hereindrehen lässt, ist es perfekt.
Nun wird das Sicherungsblech entfernt und die Gabel kann wieder zugedreht und eingebaut werden.

Das war es dann auch schon und es kann wieder fröhlich gefedert und gedämpft werden.

Und nicht vergessen, Gas ist rechts
Euer Philipp #14

 

Author Philipp Wiehe

Motorradfahrer, Schrauber und Hobbyracer aus Leidenschaft. Ein Leben ohne zwei Räder ist kein Leben.

More posts by Philipp Wiehe

Leave a Reply